Zusammenfassung
Die vorgestellte Vision einer Kirche konzentriert sich auf die Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen und das Erreichen einer breiteren Bevölkerungsgruppe. Die Kirche sieht sich als Dienstleister und versucht, durch eine Vielfalt an Angeboten und spirituelle Ausrichtung, Menschen jeglicher Herkunft und Altersgruppe anzusprechen. Es wird ein Schwerpunkt auf die Entwicklung und Vermarktung kircheninterner Angebote gelegt, während gleichzeitig die gesellschaftliche Rolle der Kirche reduziert wird.
Die drei Schlüsselmerkmale dieses Kirchenbildes sind:
- Öffnung und Anpassung: Die Kirche ist bestrebt, ihre Angebote und Organisation an die Veränderungen in der Gesellschaft anzupassen. Dies beinhaltet eine Öffnung gegenüber modernen Wertvorstellungen und eine Umgestaltung von Angeboten, um den Zugang für verschiedene Bevölkerungsgruppen zu erleichtern.
- Zielgruppenorientierung: Die Kirche konzentriert sich auf die Gewinnung verschiedener spiritueller Zielgruppen. Es werden Angebote geschaffen, die einen persönlichen Nutzen für den Einzelnen bieten und somit eine Mitgliedschaft attraktiv machen.
- Fokussierung auf interne Angebote: Anstatt sich aktiv in gesellschaftliche und politische Diskussionen einzubringen, konzentriert sich die Kirche auf die Entwicklung und Vermarktung ihrer internen Angebote. Dabei wird eine exponierte Marktposition angestrebt.
Einleitung
Die kreative Anpassung an den kulturellen und spirituellen Wandel unserer Gesellschaft zeichnet die Kirche aus. Das Ziel ist es, mit vielfältigen und niederschwelligen Angeboten der Kirche weitere spirituelle Menschen gewinnen zu können, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder ihrem Alter. Eine starke Öffnung der Institution und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit tragen dazu bei, dass Mitglieder aller Milieus gewonnen werden. Durch Innovation entstehen Freiräume.
Gelebter Glauben auf neuen Wegen
Selbsterhalt durch gesellschaftliche Öffnung und Fokussierung auf binnenkirchliche Angebote
In einer zunehmend säkular und durch veränderte Wertvorstellungen geprägten Gesellschaft wird der Selbsterhalt der Kirche im Erzbistum zum zentralen Ziel. Die reaktive Adaption ihrer Anschauungen, Organisation und Angebote an die Entwicklungen der Mehrheitsgesellschaft bestimmt die Grundhaltung und leitet das Handeln.
Ein wesentlicher Baustein dieser Anpassung ist die Öffnung gegenüber postmodernen Wertvorstellungen. Durch die Veränderung von Haltungen und Ausdrucksformen wird der bestehenden Ex-Kulturation bewusst entgegen-gewirkt. Gleichzeitig wird der Anspruch an eine Evangelisierung in ihrer überkommenen und traditionellen Form reduziert. Die explizite Sichtbarkeit und Betonung religiöser Aspekte und Inhalte wird zu Gunsten einer leichteren Anschlussfähigkeit und dem Abbau von Berührungsängsten zurückgenommen. So erfolgt die christliche Glaubensvermittlung zunehmend Implizit durch das Handeln und als zentrale Ausdrucksform einer weiter gefassten Spiritualität.
Der gesamtgesellschaftliche Gestaltungsanspruch wird bewusst reduziert. Dies gilt für die Vermittlung eigener gesellschaftlicher Positionen ebenso wir für das aktive soziale und diakonische Engagement. Dieses wird unter der Maßgabe eines ökonomischen Selbsterhalts hinterfragt und die Kräfte auf die Anpassung binnenkirchlicher Angebote an die Bedarfe postmoderner Spiritualitätsmärkte fokussiert.
Umfassende Gewinnung spiritueller Zielgruppen
Durch die beschriebene Öffnung und allgemein spirituelle Orientierung sollen sich weitere Teile der Bevölkerung durch die Kirche angesprochen fühlen. Grundlegendes Ziel ist es, alle spirituellen Menschen mit hohem Interesse an gemeinschaftlichen Aktivitäten und Praktiken zu gewinnen, auch religiös Distanzierte. Durch die „Modernisierung“ der Institution sollen darüber hinaus insbesondere Jugendliche und Erwachsene in einer größeren Zahl erreicht werden, die sich aufgrund alternativer Wertvorstellungen distanziert haben.
Die Bindung und Gewinnung dieser Zielgruppen erfolgt zunehmend aus der Perspektive eines „Serviceanbieters“. Die Gestaltung attraktiver und zielgruppenorientierter Angebote, die mit einem persönlichen Nutzen für den Einzelnen verbunden sind, werden zum zentralen Faktor der Mitgliedschaft.
Fokussierung auf Entwicklung und Vermarktung binnenkirchlicher Angebote
Gesamtgesellschaftlich ist die Kirche wenig an einer gestaltenden Rolle interessiert. Als eher mit dem Strom schwimmende und reagierende Institution können nur wenige Impulse in gesellschaftliche und politische Diskurse eingebracht werden. Ein aktives Engagement in gesamtgesellschaftlichen Fragen wie dem Klimaschutz, der Flüchtlingshilfe oder sozialer Ungleichheit steht hinter dem primären Ziel des Selbsterhalts zurück. So werden die Kräfte vorranging auf die Umgestaltung der binnenkirchlichen Leistungen und der Entwicklung einer exponierten Marktstellung gebündelt.
Wesentlich für den Erfolg ist die grundlegende Verbesserung der institutio-nellen Außenwahrnehmung. Ein Baustein hierfür ist die Etablierung hinreichender Mechanismen zur Sicherung eines glaubwürdigen Handelns. Vorrangig ist jedoch die intensive Außendarstellung der kirchlichen Haltungsänderungen und Angebote. Hier gilt es, einen Imagewandel herbeizuführen und Angebote stärker gegenüber den relevanten Zielgruppen zu bewerben.
Modifikation bestehender Angebote zum Abbau von Zugangsbarrieren
Seelsorgerische Themen und spirituelle Angebote stehen im Zentrum des pastoralen Handelns. Veränderungen ergeben sich insbesondere aus der Öffnung und Umgestaltung von Leistungen zur Schaffung von Zugängen für distanzierte Gläubige, die sich bewusst von der Institution Kirche entfernt haben, und säkular spirituelle Zielgruppen. Die Modifikation bestehender Gemeinschaftsangebote nimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle ein und wird durch Innovationen partiell ergänzt.
Ein wesentliches Ziel ist es, Barrieren abzubauen. Hierfür wird die Evangelisierung verstärkt als indirekte Aufgabe der pastoralen Arbeit gesehen. Weniger traditionelle Riten, eine verständlichere Sprache, eine größere Vielfalt der Akteure und das Aufgreifen allgemeiner spiritueller Inhalte sollen einen vereinfachten Zugang ermöglichen und als „Türöffner dienen“. Christliche Glaubensthemen können auf diesem Fundament aufbauen. Mit der Fülle der Zielgruppen wächst parallel die Notwendigkeit der Schaffung vielfältiger und differenzierter Angebote, die auf die jeweils spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Es entsteht ein breiter Bauchladen von Möglichkeiten.
Das diakonische Engagement wird inhaltlich auf die pastorale Seelsorge fokussiert. Im Rahmen des Selbsterhalts werden bestehende Aktivitäten und die Trägerschaft von Einrichtungen zunehmend auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft. Unrentable Felder werden zur Bündelung der Ressourcen auf die binnenkirchlichen Kernleistungen abgebaut.
Bestmöglicher Erhalt der Gemeinde mit punktueller Erweiterung
Hinsichtlich der pastoralen Orte besteht der Wille zum bestmöglichen Erhalt flächendeckender Gemeindestrukturen. Als spirituelle Zentren bilden diese den Mittelpunkt für die Inanspruchnahme der veränderten Angebote. Die wachsende Vielfalt zielgruppenorientierter Formate macht jedoch nicht Alles überall leistbar. Entsprechend bilden sich für spezifische Themen überregionale Kompetenzzentren als Leuchttürme heraus.
Gleichzeitig werden alternative Wege der Verbreitung gesucht. Online-Kanäle bieten hierfür eine gute Möglichkeit. Gleichzeitig können zusätzliche Orte in den Lebenswelten der Menschen erschlossen werden. Klassische Kategorien wie Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser können hier ebenso eine Rolle spielen wie Unternehmenspartnerschaften.
Multiprofessionelle Erweiterung bestehender Strukturen
Die Öffnung der Organisation und Angebote führt zu entsprechenden Anpassungen der Personalstruktur. Während Geweihte/ Priester noch immer eine exponierte Stellung im Pastoral einnehmen, werden diese zunehmend durch alternative Professionen unterstützt. Nur so kann der wachsenden thematischen Spannweite und der vielfältigen Ausgestaltung der Angebote Rechnung getragen werden. Spezielle Themen können zudem in die Zuständig-keit zentraler, multiprofessioneller Teams übergehen.
Mit der rückläufigen Bedeutung einer internen Evangelisierung werden zudem Aufgaben im Rahmen eher spirituell geprägter Seelsorge und Glaubenspraktiken zunehmend an ehrenamtliche Mitarbeiter und Gemeindemitglieder übertragen. Veranstaltungen profitieren so zunehmend von der Vielfalt der eingebrachten Charismen. Zur Sicherung eines Handelns der Organisation im Sinne des Evangeliums wird unter diesen Bedingungen auf die Etablierung von Abläufen und Prozessen sowie einer entsprechenden Kultur gesetzt.
Erfolg als zentrale Steuerungsgröße einer dezentralen und partizipativen Organisation
Eine wachsende Dezentralität von Entscheidungen und eine zunehmende Innovationsbereitschaft sind prägende Elemente der Organisationsentwicklung. Mit der wachsenden Orientierung an den regionalen Bedürfnissen sowie der Aufweichung eigener Positionen sinkt die Notwendigkeit zentraler Vorgaben. So wird der „Erfolg“ im Rahmen des Selbsterhalts zu einer zentralen Leitlinie des Handelns. Im Kontext eines unverbindlicheren Zielbildes wird ein verstärkter Fokus auf die Überwachung von Erfolgskennzahlen zur Steuerung der Organisation gelegt.
Innovationen werden positiv wahrgenommen und honoriert. Da der strategische Fokus jedoch primär auf der Anpassung des Bestehenden als auf der Umfassenden Schaffung von Innovationen liegt, bleiben aktive Maßnahmen zur Stärkung der Innovationsfähigkeit überschaubar. Die Potentiale einer zunehmenden Gemeinde-Partizipation werden in einer offenen Kirche jedoch verstärkt genutzt.