B3.2 – Kirche der bewahrenden Minderheit

Zu B3 Kirchenbilder

Zusammenfassung

Das Kirchenbild „Kirche der bewahrenden Minderheit“ stellt die Erhaltung traditioneller katholischer Werte und Strukturen in den Vordergrund. Die Kirche konzentriert sich auf ihre Kernaufgaben und bietet Dienstleistungen vor allem für ihre aktiven Mitglieder. Sie nimmt einen Rückzug aus der breiten Gesellschaft in Kauf, um ein klares konservatives Profil zu wahren. Es wird ein starker Fokus auf die Bindung heutiger Zielgruppen gelegt und weniger auf Zielgruppenausweitung oder gesellschaftliche Verantwortungsübernahme.

Die drei Schlüsselmerkmale dieses Kirchenbildes sind:

  1. Bewahrung traditioneller Werte: Die Kirche legt großen Wert auf den Erhalt und die Verbreitung traditioneller katholischer Werte und Glaubensformen.
  2. Rückzug in die Nische: Um diese Traditionen zu wahren, nimmt die Kirche bewusst einen gesellschaftlichen Rückzug und den Relevanzverlust in Kauf.
  3. Fokus auf bestehende Zielgruppen: Die Strategie zielt darauf ab, bestehende Mitglieder zu halten, die stark mit den aktuellen Angeboten der Kirche verbunden sind, anstatt neue Mitglieder aktiv zu gewinnen.

Einleitung

Im Kirchenbild „Kirche der bewahrenden Minderheit“ besinnt sich die Kirche auf ihre Kernaufgaben und auf traditionelle Strukturen. Die Christen nehmen aktiv am Gemeindeleben teil, nutzen die kirchlichen Angebote, wobei die Wahrung der katholischen Werte und Haltungen im Mittelpunkt steht. Die konkrete Seelsorge für Gemeindemitglieder ist der allgemeinen Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung vorzuziehen. Die Funktionen und Aufgaben der Hauptamtlichen sollen zentral organisiert sein. Das erfordert eine Zusammenlegung von Gemeinden, um möglichst effizient agieren zu können. Die Kirche bündelt ihre Kräfte, in dem sie sich reorganisiert und so auch auf sinkende Mitgliederzahlen reagiert.

Traditionelle katholische Werte

Bewahrung von traditionellem katholischen Glauben und Werten in der Nische

In einem Umfeld wachsender Säkularität und postmoderner Spiritualität zeigt sich die Kirche im Erzbistum als Fels in der Brandung. Die Bewahrung eigener katholischer Werte und Haltungen sowie die Verbreitung des Glaubens in seiner überkommenen, explizit traditionellen Form stellen zentrale Ziele dar und leiten das Handeln. Glaubensthemen werden prägend nach vorne gestellt und sind allgegenwärtiger Teil des Agierens.

Der mit dieser Haltung verbundene Rückzug in die gesellschaftliche Nische sowie der institutionelle Relevanzverlust werden bewusst hingenommen und zu Gunsten eines klaren konservativen Profils akzeptiert. Eine Verteidigungsmentalität, welche auf die bestmögliche Erhaltung bestehender Strukturen und Aktivitäten gerichtet ist, wird zum wesentlichen Teil des eigenen Selbstverständnisses.

Unter diesen Voraussetzungen erfolgt eine verstärkte Bündelung der Kräfte der Organisation auf die Kernaufgabe einer traditionellen Evangelisierung. Andere Themen, wie die gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme, stehen hinter diesem Ziel zurück. Die binnenkirchliche Fürsorge gegenüber den eigenen Mitgliedern rückt klar in den Vordergrund.

Fokussierung auf die Bindung heutiger Zielgruppen

Die Mitgliederentwicklung ist primär auf die Bindung bestehender Zielgruppen mit hoher Affinität zu den heutigen Angeboten gerichtet. Praktizierende Katholiken mit starkem Interesse an einem aktiven Engagement stehen somit im Mittelpunkt.

Die Gewinnung und Bindung dieser Zielgruppen basiert im Kern auf der familiären Glaubenstradition und der Verbundenheit zu konservativen katholischen Werten. Ein persönlicher Nutzen der Mitglieder ergibt sich vorrangig aus der Unterstützung einer traditionellen Glaubenspraxis. Strategisch erfolgt so eine bewusste Fokussierung auf die „Bewahrende Minderheit“ und der Verzicht auf eine aktive Zielgruppenausweitung. Aufgrund weitgehend unveränderter Angebote gilt dies auch im Hinblick auf Altersgruppen oder soziale Milieus. So werden im Kern junge und ältere Menschen aus tendenziell gut situierten Milieus erreicht.

Orientierung an binnenkirchlichen Themen und Aufgaben

Eine zunehmend binnenkirchliche Fokussierung prägt die gesellschaftliche Positionierung. Die Bündelung der Kräfte auf die Evangelisierung bedingt ein eher reduziertes Engagement im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Fragen wie z.B. den Klimawandel, die Flüchtlingshilfe oder die Bildungsungleichheit.

Der Verbesserung des allgemeinen Vertrauens der Öffentlichkeit in die Institution Kirche kommt keine nennenswerte Priorität zu. Während große Kampagnen zur Aufwertung der Außenwahrnehmung ausbleiben, werden intern Kontrollprozesse zur Sicherung eines glaubwürdigen Handelns implementiert.

Aufgrund der geschwächten öffentlichen Vertrauensposition gestaltet sich die Schaffung einer medialen Öffentlichkeit durch politische oder gesellschaftliche Diskurse schwierig. Dieser kommt daher kein wesentlicher Stellenwert zu.

Aufrechterhaltung bestehender Gemeindeangebote zu Lasten diakonischer und sozialer Leistungen

Angebote mit direktem Glaubensbezug (wie Gottesdienste, Kasualien und Gemeindeleben) stehen im Zentrum der pastoralen Arbeit, die sich primär an praktizierende Katholiken richtet. Spezifische Themen der praktischen Lebenshilfe oder Gemeinschaftsangebote finden dagegen wenig Raum. Aufgrund der begrenzten Vielfalt von Themen und Zielgruppen dominieren uniforme Angebote, die sich an die gesamte Gemeinde richten. Neben Gemeinde-Gottesdiensten werden hier auch teilweise allgemeine Services wie Bibliotheken angeboten.

Der bestmögliche Erhalt pfarrgemeindlicher Strukturen einer „Kirche vor Ort“ in Verbindung mit der verfolgten Nischenstrategie führt zur Notwendigkeit einer Reduzierung von Aktivitäten in anderen Feldern. Dies betrifft insbesondere das diakonische und soziale Engagement. Hier erfolgt eine zunehmende inhaltliche Fokussierung auf die territoriale und kategoriale Seelsorge. Die Trägerschaften sozialer Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden einer zunehmenden Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen. Durch den Rückzug aus ökonomisch nicht tragfähigen Feldern sollten freie Kapazitäten und finanzielle Gestaltungsspielräume für die Gesamtorganisation gewonnen werden.

Gemeindezentrierte Zugangsformen mit hoher religiöser Tiefe

Das Gemeindezentrum bzw. die Kirche bildet auch zukünftig den zentralen Ort kirchlicher Gemeinschaft. Die Vor-Ort-Sichtbarkeit der Institution durch diese Strukturen bestmöglich zu erhalten, ist wesentliches Ziel des strategischen Handelns. Die verfolgte Nischenstrategie und Personalpolitik (s.u.) machen jedoch eine hinreichende Verdichtung pastoraler Räume notwendig.

Räumlich und inhaltlich bleiben die Zugangshürden zu den kirchlichen Angeboten relativ hoch. So setzen die Vor-Ort-Strukturen vielfach Anwesenheit voraus und die überkommenen traditionellen Glaubensvollzüge erfordern eine weitreichende Katechese.

Fokussierung auf professionelle Aufgabenerfüllung durch Priester und haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter

Die Zentralität der Verbreitung des Glaubens in seiner traditionellen und expliziten Form ist mit hohen Ansprüchen an die interne Evangelisierung der Organisation verbunden. Zur Erfüllung dieser Ansprüche wird primär auf die Besetzung von Leitungspositionen mit Priestern/ Geweihten gesetzt. Die zurückhaltende Übertragung von Aufgaben an alternative Professionen erfordert Lösungen zur Überwindung der schon heute bestehenden personellen Engpässe. Diesen wird primär durch die Zentralisierung von Aufgaben z.B. zur Entlastung der lokalen Leitungsstrukturen und die Verdichtung der pastoralen Räume entgegengewirkt. Maßnahmen, welche darüber hinaus ein wichtiger Faktor zur Steigerung der operativen Effizienz und Generierung von Einsparungen sind.

Generell wird bewusst auf die primäre professionelle Erfüllung von Aufgaben in Verkündigung und Diakonie durch haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter gesetzt. Eine Erweiterung der Organisation durch die Befähigung von Mitgliedern zur Übernahme von Aufgaben ist von nachrangiger Bedeutung.

Zentrale Strukturen mit Fokus auf effiziente und hochwertige lokale Umsetzung

Die Gewährleistung einheitlicher und qualitativ hochwertiger Angebote steht im Mittelpunkt der Organisationentwicklung. Diese ist von hoher Zentralität und Autorität geprägt. Basierend auf einem Zielbild werden klare Vorgaben entwickelt, deren Umsetzung auf pastoraler Ebene überwacht wird. Die lokalen Gestaltungsfreiräume sind somit begrenzt.

Die Fokussierung auf den Erhalt bestehender Leistungen macht die Etablierung von Prozessen und Strukturen zur Förderung von Innovationen zu einem nachrangigen Thema. Auch die Erweiterung der Gemeinde-Partizipation über Gremien und/ oder Befragungen spielt im Rahmen der betrachteten Strategie keine wesentliche Rolle.